Mich schaudert dieses Krieges… | Ausstellung bis 10.4.
Grafische Arbeiten Georg Gelbkes und der Künstlergruppe Chemnitz
Schloßbergmuseum Chemnitz | 01.03.-10.04.2015 (Eröffnungsrede)
Kurz nach dem Beginn des 1. Weltkrieges nahm sich die 1907 gegründete Künstlergruppe Chemnitz – wie eine Vielzahl von Künstlerzusammenschlüssen in anderen Städten auch – mit der Herausgabe ihrer „Kriegsflugblätter“ dem großen Thema der Zeit an. Von September 1914 bis Juni 1915 entstand ein Zyklus von 10 Blättern mit insgesamt 39 Einzelarbeiten. So verschieden die menschlichen und künstlerischen Charaktere der Gruppenmitglieder
Rose Friedrich (1877–1953)
Georg Gelbke (1882–1947)
Alfred Kunze (1886–1943)
Gustav Schaffer (181–1937)
Martha Schrag (1870–1957)
Heinrich Brenner (1883–1960)
Bernhard Paul Mehnert (1892–1964)
Rudolf Pleissner (1889–1977) und
Bruno Ziegler (1879–1941)
waren, so verschieden war auch der Grad von Durchdringung und Umsetzung der Kriegsthematik. Da stand der kraftvolle, eng an den Arbeiten einer Käthe Kollwitz orientierte Expressionismus Martha Schrags, der sich dem Eindringen des Krieges in den Alltag verschrieben hatte, neben blumenbekränztem Banalen und Patriotismus. Da lavierten Künstler noch zwischen Anklängen an die Bildersprache von Renaissance und Klassizismus, zitierten den Höllensturz der Verdammten oder die Heldenschar des Leonidas – und brachten schließlich dennoch erste Visionen vom allseitigen industrialisierten Morden in den Schützengräben der Schlachtfelder zu Papier. Die Höllenfurcht der Verdammten löste die schnittigen Schlachtschiffe Alfred Kunzes ab; der Grafikzyklus illustrierte zunehmend eine Reise ins Herz der Finsternis, in der nur noch der Horror wartet.
Der Grafiker Georg Gelbke ging diesen Weg, obwohl er – gesundheitlich gehandicapt und nie selbst Soldat – das Grauen der Materialschlachten nicht unmittelbar erlebt hat, am konsequentesten: Sein „Sterben für das Vaterland“ im modernen Krieg hat nichts „süßes“ und „heldenhaftes“ – seine Grafiken zeigen den menschlichen Körper reduziert auf pure, zerfetzte und geschändete Materie. In seinem Zyklus „Der Tod im Krieg“ verzweifelt selbst der Tod an den Leiden, die der moderne Krieg birgt – im Wasser, zu Lande, in der Luft, im Sumpf und im Gas…
Georg Gelbke bedient sich – viele Jahre, bevor etwa Otto Dix seinen Ausdruck der Anklage finden wird – als einer der ersten Künstler seiner Zeit jener drastischen Ausdrucksmittel, die brutal und kompromisslos den Schrecken des Krieges thematisieren.
Gelbke bleibt darin bis heute zeitgemäß und aktuell in seiner beißenden Anklage gegen den Wahnsinn des Krieges – mag er in den Schützengräben Flanderns, in den Chemnitzer Bombennächten des zweiten Weltkrieges oder den unzähligen Kriegsherden der Gegenwart toben.