Mit Licht geschossen | 23. Bildpräsentation
Historische Originalaufnahmen, eingefangen in Chemnitz, an der West- und Ostfront, großformatig plakatiert.
Eine Fotografie – einen Monat lang – an unterschiedlichen öffentlichen Plätzen von Chemnitz, über die gesamte historische Spiegelungsdauer 2014-2018.
„Reiter im Osten“
Der Krieg im Osten unterschied sich deutlich von den Kampfhandlungen an der Westfront. Im Gegensatz zum festgefahrenen Grabenkrieg, vor allem aber zur industrialisierten, materiell und technologisch hochentwickelten Kriegführung im Westen zeigte der Krieg im Osten kaum vergleichbare „moderne Elemente“: Der infrastrukturell arme Raum, das weitgehende Fehlen von Kommunikations- und Verkehrseinrichtung machte eine eher konventionelle, den militärischen Aktionen vergangener Jahrhunderte vergleichbare Form des Bewegungskrieges erforderlich. Abseits der großen, im Hinblick auf die Westfront nicht weniger opferreichen Schlachten an der Ostfront bedingte der Bewegungskrieg den Einsatz von schnellen, mobilen und unabhängig etwa von Verkehrseinrichtungen agierenden Einheiten: Das blieb auch im modernen Krieg des 20. Jahrhunderts noch immer das Feld der Kavallerie. Die Chemnitzer Kaiser-Ulanen mit ihren in der 40. (4. Königlich Sächsischen) Kavallerie-Brigade zusammengefassten Kameraden vom Karabinier- Regiment, der Reitenden Abteilung des 1. Feldartillerie-Regiment Nr. 12 und der dazugehörenden Maschinengewehrabteilungen operierten mit Mitteln des Kleinkrieges in die Tiefe eines Raumes hinein, der bedeutend größer war als die 800km lange Westfront. Aufbauend auf dem soliden, im kaiserlichen deutschen Herr hochentwickelten Prinzip der „Führung mit Auftrag“ – der soldatischen Eigenverantwortung und Eigeninitiative „selbst auf der untersten Ebene“, wie Helmuth Moltke einst formulierte – war hier im Osten neben Schnelligkeit der Bewegung vor allem die Fähigkeit zu Improvisation gefordert. Moltkes Verständnis von „Taktik“ als einem „System von Aushilfen“ musste von den Truppen, vom Reiter über den Wachtmeister zum Rittmeister bis hin zum Truppenkommandeur in allen Kampf- und Lebenssituationen umgesetzt werden: Vom Vorgesetzten wurde nach dem Prinzip der Führung mit Auftrag dem Unterstellten nur Ziel und Zeitplan vorgegeben: Die Umsetzung blieb dem Sinn des Befehls nach der Initiative des einzelnen „mündigen Soldaten“ selbst überlassen – ein Merkmal, dass dem verbreiteten Klischee von Untertanengeist und Kadavergehorsam in der deutschen Armee widerspricht und sich von Praxis anderer Armeen deutlich unterscheidet. Das vorliegende Bild führt in eine solche Improvisationssituation irgendwo in der weiten Landschaft hinter Ostpreußen: Hier haben Angehörige der 40. Kavalleriebrigade – im Bild rechts hinten ein Karabinier, vorne ein Soldat der Maschinengewehrabteilung – aus Bänken einer Dorfschule, wie die Inschrift auf der Rückseite ausweist – eine Straßensperre errichtet: Diese diente wohl weniger dem Aufhalten russischer Verbände als mehr der Kontrolle des Durchgangsverkehrs auf der gesperrten Landstraße: Die Gefahr, dass im feindlichen Hinterland Heckenschützen, Freischärler oder Partisanen durch die Linien schlüpfen und Schaden anrichten könnten, war groß und machte derartige Kontrollen durch die deutschen Truppen erforderlich.