Mit Licht geschossen | 37. Bildpräsentation
Historische Originalaufnahmen, eingefangen in Chemnitz, an der West- und Ostfront, großformatig plakatiert.
Eine Fotografie – einen Monat lang – an unterschiedlichen öffentlichen Plätzen von Chemnitz, über die gesamte historische Spiegelungsdauer 2014-2018.
„Geschundene Kreatur“
Sie gehörten zu jeder Armee der Weltgeschichte: Tiere im militärischen Einsatz. Sie teilten das Schicksal der Menschen, denen sie vertrauten. Das Vertrauen, die Vorsorge, der Schutz – das, was das Tier an den Menschen band und diesen Einsatz erst ermöglichte, wurde im höchsten Maße pervertiert. Ihr Lohn: Sie wurden ebenso getötet, verletzt, traumatisiert wie die Soldaten selbst. Im Gegensatz zu den menschlichen Opfern fand sich jedoch kaum eine Stimme, die dem Leid der geschundenen Kreatur Geltung hätte verschaffen können. Neun Jahrzehnte vergingen, ehe das „Animals in War Memorial“ in London den in Kriegen gefallenen tierischen Helfern gedachte: „They had no choice“ – so eine Inschrift des Denkmals. Keine Wahl, „no choice“, hatten die ca. eine Million Pferde, die allein im britischen Kriegsdienst standen. Keine Wahl hatten die Hunde, die als Melde- oder Versorgungshunde den deutschen Landsern im Geschosshagel an vorderster Front halfen. Keine Wahl hatten die –zig Tausenden Tauben, die trotz fortschreitender Technisierung der Kommunikationsmittel kriegswichtige Nachrichten zwischen den Kampfverbänden beförderten oder jene im Schützengraben gehaltenen Vögel, deren Tod die Soldaten vor schleichenden Giftgasangriffen warnen sollte. Keine Wahl hatten die Maultiere, Esel, Kamele und Ochsen, denen trotz Eisenbahn und Automobil noch immer das Hauptvolumen des Transportaufkommens zukam. Nicht einmal jene Hunde, Katzen, Hähne, Ziegenböcke, Affen oder Frettchen, die als Maskottchen den Soldaten an den Fronten und in der Etappe das Leben etwas erträglicher machen sollten, blieben von der Kriegsfurie verschont.
Die beiden Pferde auf der aktuellen Fotografie vom Sommer 1917 teilen das Schicksal von wahrscheinlich millionenfachen vierbeinigen Opfern des 1. Weltkrieges. Obwohl gerade für die verletzten, strategisch wichtigen Transporttiere mobile Veterinärkliniken zur gesundheitlichen Wiederherstellung hinter den Fronten zur Verfügung standen, kommt hier jede Hilfe zu spät: Die Tiere erlagen sehr wahrscheinlich den Folgen des feindlichen Artilleriebeschusses irgendwo an der Westfront. Diesen Schluss lässt die wohl bis zuletzt von ihnen gezogene Artillerieprotze zu, von der nur noch ein Rudiment des Fahrgestelles und die verstreuten Granaten zeugen. Die Gesichter der Soldaten, die die beiden Kadaver betrachten, sind teilnahmslos; sie haben wohl bereits Schlimmeres sehen und erleben müssen.
Trotz sogenannten wissenschaftlich-technischen Fortschrittes bedient sich die Menschheit auch heute noch der Anzahl von 32 Tierarten für militärische Zwecke, wie eine aktuelle Studie kürzlich belegte…